Einführung in die Ausstellung „Natur und menschlicher Fleiß" im Vis-a-Vis Buchen am 23.9.2012, Thomas Holfeld

Zu den Werken der Ausstellung.

Haben alle mit dem gestellten Thema zu tun, oder gibt es hier auch wie es als Vorwurf gegen die Ausstellung von Hans Doppel im Alten Mosbacher Schlachthaus anklang, "Themenverfehlung"? Ich habe die Bilder und Skulpturen, die die 14 Bildschaffenden der Gruppe KuBeArt geschaffen haben und nun hier für einen Monat zeigen werden, erst letzten Samstag beim Aufbau der Ausstellung zu Gesicht bekommen. Und an diesem Samstag ging es nicht so sehr darum, jede der Arbeiten in ihrem Verhältnis zu dem Ausstellungsthema zu beurteilen, sondern vielmehr die über 60 eingereichten Werke zu sichten, die letztendlich zu zeigenden auszuwählen und in den Räumen des Vis-a-vis zu platzieren. Auch wenn ich dem gewiss weise urteilenden Auge all der hier Anwesenden in dem einen oder anderen Punkt vielleicht sogar heftig zuwiderrede, so halte ich es für meine Pflicht, als verantwortlicher Initiator dieser Bilderschau, meine Meinung als Anregung zu einer Debatte öffentlich zu machen. Ich werde nun ein paar Werke herausgreifen und über sie urteilen.

Gleich am Eingang wird der Besucher von einem recht großformatigen Gemälde empfangen, das von Herrn Geyer geschaffen wurde.

Ich urteile: Thema voll getroffen.

Weil: Ich sehe ein Abbild eines Produktes des menschlichen Fleißes auf dem Weg zurück in die Natur.

Die Malerei geht vermutlich von einer Fotografie aus und setzt die auf ihr sichtbaren farbigen Formen in eine reduzierte Tonwerteskala um. Dabei wird großer Wert auf eine in Spannung ausgewogene Komposition gelegt. In der linken unteren Bildecke verdichten sich die kompositorischen Elemente, schaffen durch dunkle Farben eine Basis am unteren Bildrand, steigen durch eine feste Senkrechte in die obere linke Bildecke auf, kommen dort ebenfalls zu einer gewissen Dichte. Dieser Stabilität stehen auf der rechten Bildhälfte lockere Gerade in allen möglichen Varianten von waagrechten und leicht diagonalen Richtungen gegenüber. Die dominaten Blaugrautöne werden an drei Stellen in ein rötlicheres Grau abgewandelt. Das sind die untere und obere linke Bildecke und als Ponderation dazu knapp unter, der das Format waagrecht Halbierenden, eine ebenso getönte Struktur nahe am rechten Bildrand. So entsteht auf der Ebene der formalen Betrachtung eine Komposition in harmonischer Spannung. Dass diese, so knapp von mir beschriebenen Bildelemente, auch etwas als Abbild von außerhalb des Bildes vorhandener sichtbarer Wirklichkeit bedeuten, ist dabei noch nicht angesprochen, hat aber für das Verständnis des Werkes, gerade in Hinblick auf den Titel der Ausstellung, große Bedeutung. Wie es sich damit verhält, kann man auch an den anderen Werken von Herrn Geyer feststellen, die sich in dieser Ausstellung befinden.

Aus der Fülle der hier vorhanden Kunstobjekte möchte ich nun zwei herausgreifen, die einen ganz anderen Blick auf das Thema illustrieren. Es sind zwei Bilder von Herrn Kautz. Auch hier mein Urteil: Thema erfüllt, doch auf andere Weise als bei Herrn Geyer.

Das Verhältnis zwischen Natur und menschlichem Fleiß wird bei diesen Bildern durch den Kontrast zwischen freifließendem, dem zufälligen Farblauf Gelegenheit gebenden Malverfahren erreicht, und einer Malweise das strenge, geometrische Formen erscheinen lässt. Der Hinweis, auf außer dem Bild vorhandene Gegebenheiten, ist nur auf sehr allgemeine Weise angedeutet. Die Möglichkeit das Thema auf der Ebene der formalen Mittel des Malens anzugehen, wird auch von anderen der hier ausstellenden Künstlerinnen und Künstler angewandt. Ich möchte beispielsweise auf ein Bild von Frau Nelles aufmerksam machen, bei dem die Flügel der darauf abgebildeten Windräder in einer ganz anderen Malweise gefertigt wurden, als das wild, tachistisch vorgetragene „natürliche" Formengewusel am unteren Bildrand.

Wir können bei solch einer Betrachtungsweise ganz unterschiedliche Stilrichtungen in dieser Ausstellung erkennen. Fotorealistisch, idealrealistisch, surrealistisch, expressiv-realistische Bilder hängen neben Werken verschiedener Spielarten der Abstraktion, Farbfeldmalerei, expressiv-abstrakter Malweise usw.

Für eine expressiv-realistische Stilhaltung möchte ich die Bilder von Frau Schellhaas anführen. Ich vermute, sie sind direkt vor der Natur entstanden, beziehen sich also nicht auf das Zwischenmedium der Fotografie. Ich stelle mir vor wie die Malerin das ihr erscheinende Bild der pflanzenbewachsenen Landschaftsformen wahrnimmt und es mit dem schnellen, empfindungsgesteuerten Pinselschwung nachzuvollziehen sucht. Das Naturwesen da vor ihr, das unbekannte und letztlich unerkennbare, begegnet dem malerischen Instinkt der Künstlerin, der wild-fleißig das Wahrgenommene der Leinwand aufdrückt. Natur als das Motiv und Natur in dem Trieb der begeisterten Malerin gehen im Werk eine Ehe ein, kommen zu einer Einheit.

Subtil das Zusammenspiel von Natur und menschlichem Fleiß in den Arbeiten von Herta Schätzer. Unter und zwischen unbewusst, in das Zufällige, Unberechenbare Fließende verschiedener lasierender Malschichten, finden sich Elemente anderer Bildwirklichkeiten, die konkret als Collagen eingefügt sind. Menschlicher Fleiß wird gefordert von dem Betrachter, der zum einen die frei sich überlagernden Farbflächen zu unterschiedlichen Bildassoziationen deuten mag, oder der sich bemüht, die zitierten Bildbezüge der eingeklebten Fotoschnipsel einen Sinn bezogen auf das Bildganze abzugewinnen.

Sie sehen, es ist möglich die Ausstellungsthematik auf ganz unterschiedlichen Ebenen zu erfahren. Man kann sie an einem Vorbild aus der, außerhalb des Bildes erlebten Realität festmachen, sie kann im Umgang mit den formalen Mitteln der Bildenden Kunst erkannt werden, sie mag in der Weise des Malens, die eher spontan-natürlich oder eher rational­berechnend sich zeigt, deutlich werden, und sie kann in der Sichtweise des Betrachters erfasst werden, die einerseits vernünftig das Sichtbare auf einen Begriff bringt, oder eher wie ein Tier schnuppernd und tastend das ihr Angenehme herausklaubt.

Liebe Vernissagebesucher, liebe Gäste von der Bergstraße, ich hoffe nicht ihrem eigenen Urteil zu sehr vorgegriffen zu haben, aber ich denke sie wissen um ihre Gedankenfreiheit. Wenn ich mich bei der Betrachtung auf ein paar wenige Werke beschränkte, so war das nicht die Auswahl eines Krämers, der das Wohlfeile zu rühmen sucht. Ich traf sie, um grundsätzliche Züge in dieser Werkschau sichtbar zu machen, rote Linien der Bedeutung.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Thomas Holfeld